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Brief für Unternehmer- und Freiberufler des Monats März 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,

der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Abschreibung auf Forderung an Organgesellschaft nicht steuerwirksam

2.

Keine Rückzahlung unberechtigter Steuererstattung auf gekündigtes Kto.

3.

Unternehmenskauf - Mängelhaftung

4.

Elektronische Übermittlung von Bilanzen

5.

Kfz-Nutzung: 0,03 % oder 0,002 %?

6.

Abzugsfähigkeit bei Dienstreisen mit Urlaub: Rechtsprechungsänderung

7.

Gesetzliche Kündigungsfristen nach dem EuGH-Urteil

8.

Fahrkostenzuschüsse: Lohnsteuerpauschalierung

9.

Betriebsverlegung ins Ausland - Theorie der finalen Betriebsaufgabe

10.

"Non-Equity-Partner" einer RA-Gesellschaft sind keine Arbeitnehmer

11.

Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG verstößt gegen EG-Recht

12.

Teilwertabschreibung auf Forderung des Besitzunternehmens

13.

Deutsche Altersgrenze "nur" für Vertragszahnärzte mglw. unzulässig

14.

VG Trier: Beitragserhebung der IHK Trier ist rechtmäßig

15.

Einspruchsentscheidung durch PC-Fax nur mit elektronischer Signatur

16.

BFH-Entscheidung: Grenzgänger-Besteuerung bei Dienstreisen

17.

Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben

18.

Vorsteuerabzug durch Ehegattengemeinschaften

19.

Finanzamt kann Steuernummer nicht verwehren

20.

Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Verfahrensgebühr bei Rechtsanwälten

21.

Satzung gemeinnütziger Vereine: Ausschluss gewerblicher Interessen

22.

Vorstellungsgespräch: Fragen zu Krankheiten

23.

Zuschüsse: "Versteckter" Lohn ist sozialversicherungspflichtig

24.

AfA-Bemessungsgrundlage nach Einlage zum Teilwert

25.

Steuerwirksames "Verschieben" des Zuflusses einer Abfindung zulässig

26.

Schadensersatzanspruch gegen Vereinsvorsitzenden trotz Entlastung?





1. Abschreibung auf Forderung an Organgesellschaft nicht steuerwirksam

Kernproblem
Ein steuerliches Gestaltungsinstrument zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten rechtlich selbstständiger Unternehmen im Konzernverbund stellt die sog. Organschaft dar. Diese bewirkt, dass das steuerliche Einkommen bzw. der Gewerbeertrag der Organgesellschaft (i. d. R. Tochtergesellschaft) nicht von dieser selbst versteuert, sondern in das Einkommen bzw. den Gewerbeertrag des Mutterunternehmens (Organträger) einbezogen und von diesem versteuert wird. Allerdings "droht" (aus Sicht des Finanzamtes) eine Doppel-Berücksichtigung von Verlusten, wenn der Organträger auch noch Teilwertabschreibungen geltend macht.

Sachverhalt
Zwischen einer KG und ihrer 100 %igen Tochter-GmbH bestand in den Jahren 1998 bis 2001 eine gewerbesteuerliche Organschaft. Die GmbH erwirtschaftete in diesen Jahren ausschließlich Verluste. Die KG stellte ihrer Tochtergesellschaft zur Finanzierung der verlustträchtigen Geschäftstätigkeit Darlehen zur Verfügung. Da die GmbH nicht in der Lage war, diese Darlehen zurückzuzahlen, nahm die KG in ihrem Jahresabschluss außerplanmäßige Abschreibungen auf den vollen Darlehensbetrag vor und machte entsprechende Teilwertabschreibungen auch steuerlich geltend.

Entscheidung
Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof versagten den Teilwertabschreibungen die steuerliche Anerkennung. Dabei verwies der BFH auf seine eigene gefestigte Rechtsprechung, wonach Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Organgesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrages durch entsprechende Hinzurechnungen zu neutralisieren sind, soweit sie betragsmäßig den erlittenen Verlusten der Organgesellschaften entsprechen. Diese Rechtsprechung lässt sich nach Ansicht des BFH auf Forderungen übertragen. Soweit die Höhe der Teilwertabschreibung den Verlust der Organgesellschaft nicht übersteigt, soll unwiderlegbar vermutet werden, dass der Wertverlust durch Verluste der Organgesellschaft begründet ist. Daher ist die Abschreibung steuerlich wieder hinzuzurechnen.

Konsequenz
Die praktische Relevanz der Entscheidung für aktuelle Sachverhalte ist eher gering, denn einerseits setzt auch die gewerbesteuerliche Organschaft inzwischen einen Ergebnisabführungsvertrag voraus, so dass eine Finanzierung durch Verlustausgleich und nicht durch Darlehen erfolgt, und andererseits ist - jedenfalls bei Kapitalgesellschaften - die Teilwertabschreibung auf eine Darlehensforderung gegenüber der Tochtergesellschaft mit steuerlicher Wirkung nicht mehr möglich (§ 8b Abs. 3 Satz 4 KStG). Wichtig ist allerdings eine Randnotiz im BFH-Urteil: Hat eine Hinzurechnung auf eine Teilwertabschreibung in der Vergangenheit stattgefunden, so ist dafür Sorge zu tragen, dass künftige Gewinnerhöhungen (z. B. durch Zuschreibungen oder Forderungsverzichte) steuerlich ebenfalls neutralisiert werden.


2. Keine Rückzahlung unberechtigter Steuererstattung auf gekündigtes Kto.

Kernaussage
Ein Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, auf ein gekündigtes Girokonto überwiesene unberechtigte Steuererstattungen zurückzuerstatten.

Sachverhalt
Das klagende Kreditinstitut führte für eine GmbH ein Konto und kündigte dieses im Oktober 2004. 2 Tage vor der endgültigen Auflösung des Kontos im November 2004 überwies das beklagte Finanzamt eine Steuerrückerstattung der GmbH auf dieses Konto. Die Klägerin hinterlegte das Guthaben zunächst auf einem internen Verrechnungskonto und kehrte es später an den Insolvenzverwalter der mittlerweile insolventen GmbH aus. Später stellte der Beklagte fest, dass die Steuererstattung nicht rechtmäßig gewesen war und forderte das Geld von der Klägerin zurück. Als Begründung führte er an, die Klägerin sei als Leistungsempfängerin (§ 37 Abs. 2 AO) anzusehen. Diese Ansicht vertrat auch das Finanzgericht und wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.


Entscheidung
Ein Rückzahlungsanspruch des beklagten Finanzamtes gegen das klagende Kreditinstitut bestand nicht. Denn nicht die Klägerin, sondern die GmbH war Empfängerin der Leistung. Ist ein Kreditinstitut in den Zahlungsvorgang bei einer Steuererstattung involviert, ist davon auszugehen, dass das Finanzamt mit befreiender Wirkung an den Kontoinhaber und nicht an die Bank leisten will. Diese ist dann nicht Leistungsempfängerin, sondern lediglich eine vom Steuerpflichtigen benannte Zahlstelle. Der BFH stellte klar, dass die Bank, die zivilrechtlich auch nach Kündigung eines Girokontos berechtigt ist, eingehende Zahlungen für ihren früheren Kunden entgegenzunehmen, jedenfalls dann als bloße Zahlstelle zwischen dem Finanzamt und ihrem Kunden fungiert, wenn sie den Betrag pflichtgemäß für den Kunden verbucht bzw. an ihn auszahlt. Die Klägerin war auch hier lediglich Leistungsmittlerin. Zu dem Beklagten bestand gerade keine Leistungsbeziehung, so dass die Bank auch nicht in eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer Fehlüberweisung eingebunden war. Die Klägerin hat bei der Entgegennahme des Überweisungsbetrages und dessen Verbuchung auf dem Verrechnungskonto für den früheren Kontoinhaber gehandelt und die Zahlung nicht als Leistung an sich angesehen. Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH, ob er an seiner in einem früheren Urteil angenommenen Rückzahlungsverpflichtung festhalten will: hier hatte die Bank nach Auflösung des Kontos einen eingehenden Erstattungsbetrag mit einer eigenen Forderung verrechnet.


3. Unternehmenskauf - Mängelhaftung

Kernaussage
Für das Vorliegen eines Unternehmensmangels kommt es auf das Unternehmen als Ganzes an, nicht auf die Mangelhaftigkeit einzelner zum Unternehmen gehörender Gegenstände. Ansprüche wegen Mängeln an einem Unternehmen unterliegen der zweijährigen Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Eine Haftung aus c. i. c. (§§ 311, 280 BGB) neben der kaufvertraglichen Gewährleistung ist abzulehnen.

Sachverhalt
Die Klägerin hatte im Rahmen eines 100 %igen Share- Deals ein Unternehmen erworben. Nach dem Kauf stellte sich heraus, dass an dem Dach eines zum Unternehmen gehörenden Gebäudes ein Schaden aufgetreten war. Den Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Ausführung der Bedachung gegen den beklagten Verkäufer stützte die Klägerin auf Gewährleistungsrecht (§ 437 BGB) und daneben auf eine Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 311, 280 BGB). Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung
Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen Mängelgewährleistung (§§ 437 Nr. 3, 440 Satz 1, 281 Abs. 1 und 2, 280 Abs. 1) aus dem abgeschlossenen Unternehmenskaufvertrag besteht nicht. Wegen der Gleichstellung eines 100 %igen Anteilserwerbs mit einem Unternehmenskauf ist das Sachmängelrecht (§§ 434 ff. BGB) anwendbar. Dabei ist nicht auf den einzelnen zum Unternehmen gehörenden Gegenstand abzustellen, sondern auf das Unternehmen als Ganzes. Der Mangel eines Einzelgegenstandes ist nur dann zugleich ein solcher des Unternehmens, wenn er auf dieses durchschlägt und z. B. dessen wirtschaftliche Grundlage erschüttert. Dies war bei dem Bedachungsschaden nicht der Fall. Als Konsequenz der Anwendbarkeit der Sachmängelhaftung ist auch im Rahmen der Verjährung nicht auf das einzelne Gebäude sondern auf das Unternehmen als Ganzes abzustellen, so dass eine zweijährige Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) auf den Unternehmenskauf Anwendung findet. Auch für eine Haftung aus c. i. c. (§§ 311, 280 BGB) ist neben dem Sachgewährleistungsrecht kein Anwendungsraum. Der Gesetzgeber wollte durch die Schuldrechtsmodernisierung das bestehende Nebeneinander unterschiedlicher Haftungssysteme beseitigen. Für Ansprüche aus dem Kauf einer fehlerhaften Sache gilt nur noch das Mängelgewährleistungsrecht. Wegen Mängeln an Einzelgegenständen, die nicht auf das Unternehmen durchschlagen, besteht keine Anwendungsmöglichkeit der Schadensersatznormen §§ 311, 280 BGB neben dem Sachgewährleistungsrecht. Die Mängelgewährleistung ist insoweit lex specialis und bildet eine abschließende Regelung.


4. Elektronische Übermittlung von Bilanzen

Grundlagen
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2010 beginnen, haben bilanzierende Steuerpflichtige den Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Das BMF-Schreiben vom 19.1.2010 nimmt hierzu Stellung:

Gegenstand der elektronischen Übermittlung
Die elektronische Übermittlung des Inhalts der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie ggf. einer notwendigen Überleitungsrechnung lässt die bisher vorgeschriebene Übermittlung in Papierform entfallen. Die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechende Ansätze oder Bewertungen in der Handelsbilanz sind durch Zusätze oder Anmerkungen an die steuerlichen Vorschriften anzupassen ("Überleitungsrechnung") und ebenfalls durch Datenfernübertragung zu übermitteln.

Form und Inhalt der Datenübermittlung
Es ist der XBRL - Standard (= extensible Business Reporting Language) für die Übermittlung zu verwenden.

Härtefallregelung
Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Ein Härtefall ist gegeben, wenn die elektronische Übermittlung für den Steuerpflichtigen persönlich oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die technische Schaffung der Möglichkeiten einer elektronischen Übermittlung einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand bedeutet oder der Steuerpflichtige nach individuellen Kenntnissen oder Fähigkeiten nicht in der Lage ist, elektronisch zu übermitteln.

Folgen fehlender Datenübermittlung
Infolge fehlender elektronischer Datenübermittlung kann die Finanzverwaltung ein Zwangsgeld androhen und ggf. festsetzen.


5. Kfz-Nutzung: 0,03 % oder 0,002 %?

Einführung
Die private Nutzung betrieblicher Kfz durch Arbeitnehmer unterliegt der Besteuerung. Im Rahmen der 1 %-Methode werden die privaten Fahrten mit 1 % des Bruttolistenpreises des Kfz erfasst. Zusätzlich werden die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte monatlich mit 0,03 % des Bruttolistenpreises pro Entfernungskilometer besteuert. Der Arbeitnehmer kann hiervon im Gegenzug 0,30 EUR pro Entfernungskilometer bei der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten abziehen.

Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer nutzte einen Dienstwagen für private Zwecke. Er führte im Jahr 2006 unstreitig 100 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch. Die pauschale Versteuerung mit 0,03 % des Bruttolistenpreises erschien dem Arbeitnehmer angesichts der geringen Anzahl von Fahrten zu hoch. Er setzte daraufhin die seines Erachtens zu viel besteuerten Beträge als Werbungskosten in seiner Einkommensteuererklärung an. Das Finanzamt erkannte hingegen nur die Kosten für die tatsächlich durchgeführten Fahrten als Werbungskosten an (0,30 EUR je Entfernungskilometer).

Neues Urteil
Das FG Köln lässt zwar den erhöhten Ansatz von Werbungskosten nicht zu, setzt dafür aber den geldwerten Vorteil geringer an. Es begründet dieses für den Arbeitnehmer positive Urteil damit, dass die Besteuerung des geldwerten Vorteils lediglich einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers darstellt. Bei der Ermittlung des Zuschlags ist daher auf die tatsächliche Nutzung des Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen, wenn diese erheblich von der als durchschnittlich angenommenen Nutzung (15 Tage pro Monat) zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweicht. Das FG berechnete den geldwerten Vorteil schließlich lediglich mit 0,002 % des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer.

Konsequenz
Das Urteil des FG ist zu begrüßen, da die pauschale Ermittlung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte häufig den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Wichtig ist für die Praxis auch, dass das FG es für überzogen hält, die tatsächliche Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mittels Fahrtenbuch nachzuweisen. Arbeitnehmer, die ihren Dienstwagen selten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen, sollten prüfen, ob das Urteil für sie vorteilhaft ist. Abzuwarten bleibt, ob der BFH dem FG in der anhängigen Revision folgt.


6. Abzugsfähigkeit bei Dienstreisen mit Urlaub: Rechtsprechungsänderung

Kernfrage
Wird an eine Dienstreise noch ein privater Urlaub angehängt, stellt sich die Frage nach der Abzugsfähigkeit der Kosten für den beruflichen Anteil. Problematisch waren insbesondere Kosten für die Hin- und Rückreise, da diese sowohl beruflich als auch privat veranlasst waren. Die Finanzämter haben regelmäßig den Abzug mit Hinweis auf das so genannte Aufteilungsverbot versagt.

Sachverhalt
Der Steuerpflichtige hatte für 4 Tage eine Computer-Messe in den USA besucht und anschließend noch 3 Tage Urlaub dort verbracht. Die den 4 beruflichen Tagen zuzuordnenden Aufwendungen wurden vom Finanzamt zum Abzug zugelassen. Den Kosten für Hin- und Rückflug wurde hingegen die Anerkennung versagt, da sie auch privat veranlasst gewesen seien.

Entscheidung
Der Große Senat des BFH hat entschieden, dass Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisekosen grundsätzlich zeitanteilig aufgeteilt werden können. Voraussetzung ist, dass die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Notfalls sind die Anteile zu schätzen. Eine Aufteilung ist jedoch dann nicht zulässig, wenn eine Trennung nach objektivierbaren Kriterien nicht möglich ist.

Konsequenz
Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung geändert. Danach hatte er dem § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen entnommen. Steuerpflichtige werden nunmehr Reisekosten in größerem Umfang als bisher zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bringen. Zudem wird das Urteil auch Auswirkungen auf andere gemischt veranlasste Kosten haben.


7. Gesetzliche Kündigungsfristen nach dem EuGH-Urteil

Kernfrage/Rechtslage
Das Zivilrecht enthält eine Regelung, nach der die Bestimmung der gesetzlichen Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen von der Betriebszugehörigkeit abhängt. Dabei sind solche Betriebszugehörigkeitszeiten, die vor dem 25. Lebensjahr erdient werden, nicht zu berücksichtigen. Nachdem einzelne Arbeitsgerichte diese gesetzliche Regelung bereits als unvereinbar mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz angesehen hatten, hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Rechtsfrage, ob die deutsche Regelung europäischem Anti-Diskriminierungsrecht zuwider läuft, dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Der EuGH hat nun zugunsten der Arbeitnehmer entschieden.

Entscheidung
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mit 18 Jahren in einen Betrieb eingetreten war. Nach 10-jähriger Beschäftigungsdauer wurde ihm gekündigt. Die anzuwendende Kündigungsfrist betrug einen Monat, weil nur 3 Beschäftigungsjahre zu berücksichtigen waren. Bei voller Berücksichtigung der Beschäftigungszeit hätte die Kündigungsfrist 4 Monate betragen. Der Europäische Gerichtshof sieht hierin eine auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung, die unangemessen und damit europarechtswidrig ist. Ergänzend stellte das Gericht fest, dass nur nach besonderen beschäftigungspolitischen Aspekten eine derartige Regelung möglich sei. Diese lägen aber nicht vor.

Konsequenz
Mit der Entscheidung ist endgültig die erste zentrale Norm des deutschen Arbeitsrechts dem Diskriminierungsrecht zum Opfer gefallen. Der deutsche Gesetzgeber muss die Kündigungsregelungen und bisherigen Fristen nachbessern. Dies wird bei Arbeitnehmern mit Beschäftigungsbeginn unter 25 Jahren zu verlängerten Kündigungsfristen führen. Konsequent wäre es, wenn der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Fristberechnung auf den ersten Tag der Beschäftigung unabhängig vom Alter abstellt.


8. Fahrkostenzuschüsse: Lohnsteuerpauschalierung

Einleitung
Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer, die er bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und abzuführen hat, mit einem Pauschalsteuersatz erheben. Dieser ist anzuwenden für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden. Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn sind Zuschüsse dann geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die arbeitsrechtlich geschuldet sind, entweder durch Vereinbarung oder etwa durch eine dauernde Übung.

Sachverhalt
Die Arbeitnehmer der Klägerin erhielten jährlich im November Zahlungen unter der Bezeichnung "Fahrtkostenzuschuss". Diese wurden der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG unterworfen. Unter der Bezeichnung "Fahrtkostenzuschuss" wurde jeweils der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten abzugsfähige Betrag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte errechnet, ausgezahlt und pauschal versteuert. Der Differenzbetrag zum errechneten Weihnachtsgeld wurde mit der Bezeichnung "Weihnachtsgeld" nach den persönlichen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer versteuert. Finanzamt und Finanzgericht verneinten hinsichtlich der als "Fahrtkostenzuschüsse" erbrachten Zahlungen die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer, weil sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, sondern unter Anrechnung auf das freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld erbracht worden seien. Der BFH hob die Entscheidung auf.

Entscheidung
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die von der Klägerin ausbezahlten Zuschüsse nicht zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet worden seien. Das FG hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Weihnachtsgeld jeweils freiwillig gezahlt worden war, ohne dass ein Rechtsanspruch darauf bestanden hätte. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu treffen haben, ob und inwieweit die von der Klägerin als Weihnachtsgeld erbrachten Sonderzahlungen arbeitsrechtlich geschuldet oder freiwillig waren, um entscheiden zu können, ob die streitigen Zuschüsse zum "ohnehin geschuldeten" Arbeitslohn geleistet worden waren.


9. Betriebsverlegung ins Ausland - Theorie der finalen Betriebsaufgabe

Kernaussage
Die Verlegung eines Einzelunternehmens ins Ausland führt auch dann nicht zur Erfassung eines steuerlichen Entnahmegewinns, wenn die künftigen Gewinne aus dem Unternehmen aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) von der Besteuerung in Deutschland freigestellt sind.

Sachverhalt
Der Kläger verlegte im Streitjahr sein freiberufliches Unternehmen und seinen Wohnsitz ins Nachbarland Belgien. Gegenstand des Unternehmens war die Lizenzierung von Erfindungen an andere Unternehmen. Die Einkünfte wurden nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Das Finanzamt unterstellte wegen des Wegzugs einen Betriebsaufgabegewinn, den es unter Berücksichtigung eines Übergangsgewinnes (§ 18 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) bestimmte.

Entscheidung
Der BFH setzte sich in seiner Entscheidung vor allem mit dem Umstand auseinander, ab wann eine Betriebsaufgabe i. S. d. nationalen Rechts vorliegt. Er verneinte eine solche und vertrat darüber hinaus die Auffassung, es komme durch die Verlegung des Unternehmens nach Belgien nicht zu einer Beeinträchtigung des Steuerzugriffs des deutschen Fiskus auf die in Deutschland erwirtschafteten stillen Reserven. Soweit bei einer späteren Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung Gewinne realisiert werden, die der Unternehmenstätigkeit in Deutschland zugeordnet werden können, seien diese auch in Deutschland zu versteuern. Dies gelte sowohl bei einer beschränkten als auch bei einer unbeschränkten Steuerpflicht des Unternehmers. Aus Sicht des BFH war es nicht erforderlich, die EU-Rechtskonformität der Betriebsaufgabe, (Entnahme)-Besteuerung, zu prüfen. Dagegen hatte das FG Köln noch einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit festgestellt.

Konsequenz
Für Betriebsverlegungen ins Ausland vor 2006 ist zu prüfen, ob es sich um eine Betriebsaufgabe handelt. Ist dies nicht der Fall (z. B. weil das Unternehmen auch vom Ausland unverändert fortgeführt werden kann), kommt es im Zeitpunkt der Verlegung nach der neuen Rechtsprechung nicht zu einer Besteuerung.


10. "Non-Equity-Partner" einer RA-Gesellschaft sind keine Arbeitnehmer 

Kernfrage/Rechtslage
Ob der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist, richtet sich nicht immer danach, ob der Streit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgetragen wird. Bei "Angestellten", die über eine zivilrechtliche Vertretungsbefugnis hinaus gesellschaftsrechtlich auf gesetzlicher Grundlage zur Vertretung ihres Arbeitgebers (der Gesellschaft) berechtigt sind, ist der Weg zu den Arbeitsgerichten ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob sog. "Non-Equity-Partner" einer Freiberuflerpraxis, also Gesellschafter, die nicht unmittelbar am Gesellschaftsvermögen beteiligt sind, der Weg zu den Arbeitsgerichten offen steht.

Entscheidung
2 bei einer Großkanzlei als sog. "Non-Equity-Partner" angestellte Rechtsanwälte hatten vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Kündigung geklagt. Dabei hatten sie insbesondere geltend gemacht, dass das Kündigungsschutzgesetz auf sie Anwendung finde. Das Gericht hielt den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten aber mangels Arbeitnehmerstellung nicht für eröffnet und verwies den Rechtsstreit daher an das Landgericht. Die gekündigten "Non-Equity-Partner" gelten nicht als Arbeitnehmer i. S. d. Arbeitsgerichtsgesetzes, weil sie gesetzliche Vertreter der Rechtsanwaltssozietät waren. Rechtsstreitigkeiten mit gesetzlichen Vertretern von Gesellschaften, wie einer Rechtsanwaltssozietät, weist das Gesetz den ordentlichen Gerichten - hier dem Landgericht - zu. Da bereits aus diesem Grund der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist, war nicht zu entscheiden, ob die Rechtsanwälte materiell Arbeitnehmer sind und das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zunächst eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die Rechtsstreite mit Angestellten, die gesellschaftsrechtliche - nicht zwingend zivilrechtliche - Vertretungsbefugnis haben, den ordentlichen Gerichten zuweist. Die Frage, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, ist damit noch nicht geklärt. Aus Sicherheitsgründen sollte eine Klage daher trotz allem innerhalb der dreiwöchigen Frist des Kündigungsschutzgesetzes erhoben werden.


11. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG verstößt gegen EG-Recht

Kernaussage
Die Umschaltklauseln des § 20 Abs. 2 und 3 AStG greifen nur dann, wenn die Betriebsstätteneinkünfte nach Maßgabe von § 7 ff. AStG steuerpflichtig wären (Schlussurteil zum Urteil des EuGH v. 6.12.2007 "Columbus Container Services", C-298/05).

Sachverhalt
8 natürliche Personen sowie eine Personengesellschaft aus Deutschland waren an einer belgischen Kommanditgesellschaft beteiligt. Diese erzielte Einkünfte aus der Verwaltung von Kapitalanlagen und wurde als Koordinationszentrum begünstigt besteuert. Die in den belgischen Betriebsstätten erzielten Einkünfte wurden vom Finanzamt entgegen den Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht freigestellt, sondern in vollem Umfang der deutschen Besteuerung unterworfen. Die ausländische Steuer wurde angerechnet. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage - nach Einholung der Entscheidung des EuGH - ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Entscheidung
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Beantwortung der Vorlagefragen durch den EuGH den Sachverhalt nicht erschöpfend würdigt. Nach seiner Auffassung führen Betriebsstätteneinkünfte passiver Natur nur dann zu einer Besteuerung nach § 20 Abs. 2 AStG, wenn es im Ausland an einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit mangelt. Dies war nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall.

Konsequenz
Geht eine Auslandsbetriebsstätte einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach - bzw. liegt keine rein künstliche Gestaltung vor - kommt es bei Vorliegen eines DBA mit Freistellungsmethode nicht zu einer Anwendung des Anrechnungsverfahrens.


12. Teilwertabschreibung auf Forderung des Besitzunternehmens

Kernproblem
Gerät eine GmbH in eine wirtschaftliche Krise, können häufig Darlehensansprüche nicht mehr vollständig und zeitgerecht bedient werden. Dies gilt insbesondere für Darlehen von Gesellschaftern, deren Befriedigung gesetzlich und ggf. auch vertraglich (z. B. durch Rangrücktritt) erschwert ist. Hält der Gläubiger die Forderung in einem steuerlichen Betriebsvermögen, stellt sich die Frage, ob und wann er auf die Forderungen Teilwertabschreibungen vornehmen kann.

Sachverhalt
Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verpachtete ein Grundstückseigentümer ein Betriebsgebäude an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er zugleich war. Die GmbH geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, bevor ihre Tätigkeit zum 31.12.1994 eingestellt und die GmbH schließlich im Folgejahr liquidiert wurde. Zuvor hatte die GmbH bereits die Pachtzahlungen an den Vermieter nur unregelmäßig geleistet, so dass im Verlaufe der Jahre hohe Verbindlichkeiten aufliefen. Der Verpächter hatte auf seine Pachtforderungen bereits in den Jahren 1992 und 1993 Teilwertabschreibungen vorgenommen. Finanzamt und Finanzgericht erkannten die Abschreibungen erst zum 31.12.1994 an, weil es der Gesellschafter zuvor selbst in der Hand gehabt habe, die Zahlungsverpflichtungen aus dem Pachtvertrag zu erfüllen.

Entscheidung
Der BFH löst den Fall differenzierter: Allein die faktische Möglichkeit des Gesellschafters, für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zu sorgen, stehe einer Teilwertabschreibung nicht entgegen. Vielmehr müsse der Teilwert der Forderung nach kaufmännischen Gesichtspunkten ermittelt werden. Für den hier vorliegenden Fall einer Betriebsaufspaltung gelte jedoch eine Besonderheit: Da Besitz- und Betriebsunternehmen wirtschaftlich eng verflochten seien, müsse eine (zweifache) Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Zum einen seien die Beteiligung an und die Forderungen gegenüber der Betriebsgesellschaft nach gleichen Maßstäben zu bewerten. Zum anderen seien hierfür die Ertragsaussichten von Besitz- und Betriebsunternehmen zugrunde zu legen. Wenn sich hiernach ergebe, dass ein gedachter Erwerber für die Beteiligung nur einen unter dem Buchwert liegenden Preis zahlen würde, sei auch eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung gerechtfertigt.

Konsequenz
Mit dem Urteil bestätigt der BFH seine Rechtsprechung: Beteiligung und Forderung sind 2 unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Es gibt jedoch Konstellationen, in denen beide nach denselben Kriterien zu bewerten sind. Während dies bisher nur für den Fall der Betriebsaufspaltung entschieden war, dehnt der BFH den Anwendungsbereich nun auf alle Fälle der ehemals eigenkapitalersetzenden Darlehen aus. Offen ist hingegen, ob dies nach aktueller Rechtslage für alle Gesellschafterdarlehen gilt, da das bisherige Eigenkapitalersatzrecht im Jahr 2008 durch das MoMiG abgeschafft wurde.

13. Deutsche Altersgrenze "nur" für Vertragszahnärzte mglw. unzulässig

Kernfrage/Rechtslage
Gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung von bestimmten Altersgrenzen abhängig machen (hier: Berufsausübungsverbot nach Vollendung des 68. Lebensjahres), sind regelmäßig geeignet, gegen europäische Diskriminierungsvorschriften zu verstoßen. Sind sie darüber hinaus noch unausgewogen verfasst, besteht zusätzlich die Gefahr eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot. Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens des Sozialgerichts Dortmund nunmehr seine Bedenken gegen die deutsche Gesetzesregelung geäußert, nach der Kassenzahnärzte mit Vollendung des 68. Lebensjahres ihre Tätigkeit - als Kassenzahnärzte - aufgeben müssen.

Entscheidung
Die Klägerin beanstandete vor dem Sozialgericht Dortmund einen Bescheid der Zahnärztekammer, wonach ihre Zulassung als Vertragszahnärztin mit der Vollendung des 68. Lebensjahres endete, obwohl außerhalb des gesetzlichen Vertragszahnarztsystems Zahnärzte ihren Beruf unabhängig von ihrem Alter ausüben können. Der EuGH stellte hierzu fest, dass es ein Mitgliedstaat zulässigerweise für erforderlich halten könne, für die Ausübung eines ärztlichen Berufs eine Altersgrenze festzulegen, um die Gesundheit der Patienten zu schützen. Dies müsse dann aber für alle Ärzte gelten. Die Gleichbehandlungs-Richtlinie stehe also einer nationalen Maßnahme, mit der für die Ausübung des Berufs des Vertragszahnarztes eine Höchstaltersgrenze festgelegt werde, entgegen, wenn diese Maßnahme nur das Ziel habe, die Gesundheit der Patienten vor dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Vertragszahnärzten, die dieses Alter überschritten hätten, zu schützen. Denn die Altersgrenze gelte nicht für Zahnärzte außerhalb des Vertragszahnarztsystems. Da eine solche Maßnahme widersprüchlich sei, könne sie nicht als für den Gesundheitsschutz erforderlich angesehen werden. Dagegen stehe die Richtlinie einer Altersgrenze nicht entgegen, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe zum Ziel habe und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sei. Es ist nunmehr Aufgabe des Sozialgerichts festzustellen, welches Ziel mit der Altersgrenze für Vertragszahnärzte verfolgt wird.

Konsequenz
Die Entscheidung, nach der nationalgesetzliche Regelungen regelmäßig europarechtlich beurteilt werden, zeigt 2 Kerngrundsätze. Zum einen muss die nationale Regelung die Gleichbehandlung vergleichbarer Personengruppen gewährleisten. Bei nationalen Regelungen, die Altersgrenzen festsetzen, gilt zudem, dass ein übergeordneter sachlicher Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigen muss.


14. VG Trier: Beitragserhebung der IHK Trier ist rechtmäßig

Kernfrage/Rechtslage
Für Gewerbetreibende besteht eine Zwangsmitgliedschaft in der für sie zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK). Diese erhebt aufgrund eigenen Rechts Beiträge, die je nach IHK unterschiedlich hoch und unterschiedlich zusammengesetzt sein können. Das Verwaltungsgericht Trier hatte nunmehr über die Höhe, Zusammensetzung und grundsätzliche Beitragserhebungsberechtigung der IHK Trier zu entscheiden.

Entscheidung
Die IHK erhebt von ihren Mitgliedern Jahresbeiträge, die sich aus einem Grundbeitrag und einem Umlagebeitrag zusammensetzen. Letzterer berechnet sich aus dem Gewerbeertrag multipliziert mit einem Hebesatz. Dadurch werden umsatzstärkere Unternehmen höher belastet als Betriebe mit schwächerem Umsatz. Hiergegen klagten Unternehmen, die darin einen Verstoß gegen Verfassungs- sowie Europarecht sahen. Durch ihre mit Kosten verbundene Zwangsmitgliedschaft würden sie gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt. Außerdem rügten sie unwirtschaftliches Finanzgebaren der IHK außerhalb der ihr zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass im Bereich der IHK Trier mit dem höchsten Umlagehebesatz in Rheinland-Pfalz wesentlich höhere Kosten für die Wirtschaftsförderung entstünden als in den anderen Kammerbezirken. Das VG wies die Klagen ab. Zum einen sei die Zwangsmitgliedschaft in der IHK weder verfassungs- noch europarechtswidrig. Die Beitragshöhe sei ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der IHK stehe im Rahmen der ihr eingeräumten Selbstverwaltung ein weiter Freiraum zu, welche konkreten Tätigkeiten sie im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen ausführe, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei. Für eine Überschreitung der äußersten Grenzen des Spielraums gebe es keine Anhaltspunkte. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe sich aber auf die Prüfung zu beschränken, ob die äußersten rechtlichen Grenzen überschritten sind.

Konsequenz
Unabhängig davon, dass es sich um eine rheinland-pfälzische Entscheidung handelt, dürfte ihr Sachverhalt zur Verallgemeinerung geeignet sein. Der den IHK´s mit der Entscheidung eingeräumte weitreichende Handlungsspielraum dürfte die Handhabung der Beitragserhebung weitestgehend absichern. Ob die Entscheidung einer Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht standhält, bleibt abzuwarten. Die Berufung ist zugelassen.


15. Einspruchsentscheidung durch PC-Fax nur mit elektronischer Signatur

Kernfrage/Rechtslage
Aus ökonomischen Gründen und angesichts moderner Kommunikationsmittel geht auch die Finanzverwaltung dazu über, Benachrichtigungen und Verwaltungsakte mittels Computer-Fax zu versenden. Dabei soll es sich um ein elektronisches Dokument handeln, das Urkundsqualität besitzt. In der Rechtsprechung ist aber nicht abschließend geklärt, ob ein Computer-Fax überhaupt ein elektronisches Dokument ist und ob bei einer Einspruchsentscheidung auf eine qualifizierte elektronische Signatur gegebenenfalls verzichtet werden kann. Das Finanzgericht Köln hatte für eine Einspruchsentscheidung nunmehr zu entscheiden, ob dieser Rechtswirkung beikommen kann, wenn die qualifizierte elektronische Signatur fehlt.

Entscheidung
Das Finanzamt hatte dem Kläger eine Einspruchsentscheidung per Computer-Fax übermittelt. Die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Klage war nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Der Kläger hatte geltend gemacht, die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes nicht erhalten zu haben, obwohl das Finanzamt den Sendebericht der Übermittlung per Computer-Fax vorgelegt hatte. Das Gericht urteilte zugunsten des Klägers. Es komme allerdings schon gar nicht darauf an, ob der Kläger das Fax erhalten habe oder nicht. Die Einspruchsentscheidung sei ihm bereits nicht wirksam bekannt gegeben, denn bei der Übermittlung durch Computer-Fax handele es sich um einen elektronischen Verwaltungsakt, der nur dann gültig sei, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werde. dies war vorliegend nicht der Fall.

Konsequenz
Eine Benachrichtigung durch das Finanzamt mittels Computer-Fax entfaltet keine Rechtswirkung, es sei denn, sie ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Dies gilt erst recht für Steuerbescheide in Gestalt einer Einspruchsentscheidung. Mit einem Computer-Fax kann auch keine Rechtsfolge in Gang gesetzt werden; insbesondere keine Klagefrist. Das FG Köln ließ die Revision ausdrücklich zu.


16. BFH-Entscheidung: Grenzgänger-Besteuerung bei Dienstreisen

Kernaussage
Grenzgänger werden unter bestimmten Voraussetzungen in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert. Zu diesen Voraussetzungen gehört es, dass sie regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehren. Von einer solchen Regelmäßigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn eine bestimmte Anzahl von so genannten Nichtrückkehrtagen überschritten wird. Welche Tage als Nichtrückkehrtage zu qualifizieren sind, hat der BFH jetzt in 3 Präzedenzfällen klargestellt.

Sachverhalt
Im ersten Fall ging es um einen Franzosen, der als Außendienstmitarbeiter bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt war. Bedingt durch seine Tätigkeit war er nicht nur am Sitz der Gesellschaft, sondern auch außerhalb der im Abkommen definierten Grenzzone und in Drittstaaten tätig. Der zweite Fall hatte einen ähnlich gelagerten Sachverhalt. Der deutsche Vorstand einer schweizerischen AG unternahm an ca. 60 Tagen im Jahr Dienstreisen. Anders als im Abkommen mit Frankreich, kennt das Abkommen mit der Schweiz keine Grenzzone. Außerdem verdrängt die Grenzgängerregelung in Artikel 15a Schweiz die Regelung zur Behandlung von Bezügen leitender Angestellter in Artikel 15 Abs. 4 DBA. Im letzten vom BFH entschiedenen Fall ging es im Kern um genau dieses Problem. Der in Deutschland lebende Vorstand einer schweizerischen AG begehrte die Besteuerung am Sitz der Gesellschaft nach Art. 15 Abs. 4, welche vom FA wegen regelmäßiger Rückkehr an den deutschen Wohnsitz verweigert wurde.

Entscheidung
Die Grenzgängerregelung des DBA Frankreich wurde durch den BFH auf der Basis einer im Februar 2006 getroffenen Verständigungsvereinbarung ausgelegt. Danach führen auch eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone zu einer Nichtrückkehr, soweit der Arbeitnehmer während des ganzen Tages außerhalb der Grenzzone tätig geworden ist. Gleiches gilt für Rückreisetage bei mehrtätigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone. Kurzzeitige Tätigkeiten innerhalb der Grenzzone schließen eine Nichtrückkehr allerdings aus. Reisezeiten zählen dabei nicht zum "Tätigwerden". Sie gelten als bloße Transferzeiten. Das DBA Schweiz wird hier anders ausgelegt. Da es keine Grenzzone kennt, werden eintägige Dienstreisen nicht als Nichtrückkehrtage gewertet. Dies gilt auch für Rückreisetage von mehrtätigen Dienstreisen. Dienstreisen an Wochenend- und Feiertragen werden nach beiden DBA nicht als Nichtrückkehrtage gewertet, und zwar auch nicht bei Geschäftsführern. Maßgeblich sind nach Auffassung des BFH nur die Tage, an denen eine Arbeitsleistung nach Vertrag geschuldet wird. Das gleiche gilt für Krankheitstage. Andererseits werden auch solche Arbeitstage, an denen wegen höherer Gewalt keine Rückkehr an den Wohnort erfolgen kann, als Nichtrückkehrtage qualifiziert. In seiner Entscheidung zum DBA Schweiz stellt der BFH klar, dass die Tätigkeit von leitenden Angestellten als Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft fingiert wird. Dies gelte auch in Bezug auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung, obwohl es nicht eindeutig aus dem Wortlaut in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d) hervorgeht. Ausnahmen gelten nur für den Fall, dass die Tätigkeit so abgegrenzt ist, dass sie nur Aufgaben außerhalb des Sitzstaates umfasst.


17. Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben

Einführung
Werden Wirtschaftsgüter aus dem Unternehmen für außerbetriebliche - i. d. R. private - Zwecke entnommen, so unterliegen diese Sachentnahmen regelmäßig der Ertrags- und Umsatzbesteuerung. Zur Vereinfachung setzt das BMF jährlich Pauschbeträge zur Ermittlung der Höhe der Entnahmen fest.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Pauschbeträge für das Jahr 2010 sind nun vom BMF veröffentlicht worden. Sie betreffen Gewerbezweige, die Einzelhandel mit Nahrungsmitteln betreiben, z. B. Bäckereien, Gaststätten etc.

Konsequenz
Die Pauschbeträge stellen Nettowerte dar. Die Umsatzsteuer (7 % bzw. 19 %) ist auf Basis dieser Werte zu ermitteln. Alternativ zum Ansatz der Pauschbeträge kommen nur Einzelaufzeichnungen in Betracht. Eine Reduzierung der Pauschbeträge z. B. wegen Urlaub oder individueller Essgewohnheiten ist nicht möglich.


18. Vorsteuerabzug durch Ehegattengemeinschaften

Einführung
Der Vorsteuerabzug setzt u. a. voraus, dass ein Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen bezieht und er hierüber eine ordnungsgemäße Rechnung besitzt. Gerade unternehmerisch tätigen Grundstücksgemeinschaften bereiten diese einfachen Grundregeln oft Probleme.

Sachverhalt
Eine aus den Eheleuten A und B bestehende Grundstücksgemeinschaft investierte in ein im Eigentum der Grundstücksgemeinschaft stehendes Gebäude. A beauftragte die Bauleistungen und die Rechnungen wurden auf A ausgestellt. Die Grundstücksgemeinschaft vermietete das Objekt umsatzsteuerpflichtig und machte den Vorsteuerabzug aus den Investitionen geltend; das Finanzamt versagte diesen.

Neues Urteil
Nach Ansicht des BFH muss eine Grundstücksgemeinschaft, sofern sie Vorsteuern aus Eingangsleistungen geltend machen will, Leistungsempfängerin dieser Leistungen sein. Dies setzt voraus, dass die Grundstücksgemeinschaft die Leistungen selbst in Auftrag gegeben und selbst empfangen hat. Unerheblich ist insoweit, wer zivilrechtlich Eigentümer der bezogenen Leistung wird. Zusätzlich muss die Rechnung auf die Grundstücksgemeinschaft ausgestellt sein, um einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Da beides nicht gegeben war, versagte der BFH im Gegensatz zur Vorinstanz den Vorsteuerabzug.

Konsequenz
Eine Gemeinschaft kann nur dann aus einer Rechnung Vorsteuer ziehen, wenn sie 1. selbst Leistungsempfängerin der abgerechneten Leistung ist und 2. die Rechnung auf sie ausgestellt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn nur einer der Gesellschafter die Leistung im eigenen Namen in Auftrag gibt oder die Rechnung nur auf einen Gesellschafter ausgestellt ist. Dem Vorsteuerabzug steht es allerdings nicht entgegen, wenn ein Gesellschafter bei der Auftragserteilung offen legt, dass er auch im Namen der übrigen Gesellschafter handelt.


19. Finanzamt kann Steuernummer nicht verwehren

Einführung
Immer wieder verzögert oder verweigert die Finanzverwaltung Existenzgründern die Vergabe einer Steuernummer. Dabei wird häufig die fehlende Unternehmereigenschaft des Existenzgründers als Grund vorgebracht. Für die betroffenen Unternehmer kann dies schon das Ende der Existenz bedeuten, bevor diese überhaupt angefangen hat. Schließlich ist ohne Steuernummer bzw. Umsatzsteueridentifikationsnummer eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung nicht möglich.

Sachverhalt
Einem polnischen Fliesenleger wurde vom zuständigen Finanzamt die Vergabe einer Steuernummer versagt, da er nicht selbstständig tätig sei. Die Erklärung des späteren Klägers, dass er beabsichtige, unternehmerisch tätig werden zu wollen, reichte dem Finanzamt insofern nicht.

Neues Urteil
Der BFH erteilt der Ansicht der Finanzverwaltung, wie schon die Vorinstanz, eine klare Absage. Existenzgründer haben ein Anrecht auf Erteilung einer Steuernummer, da sie die Voraussetzung für ein unternehmerisches Tätigwerden ist und nicht umgekehrt. Lediglich in Fällen, in denen die Steuernummer offensichtlich zu Missbrauchszwecken beantragt wird, kann ihre Erteilung versagt werden. Dabei muss sich der Missbrauch auf die Umsatzsteuer beziehen. Andere Fragestellungen, z. B. arbeitsmarktpolitische, spielen hierbei keine Rolle.

Konsequenz
Dem Urteil ist in vollem Umfang zuzustimmen. Die häufig ignorante, den Existenzgründern den Weg in die Selbstständigkeit erschwerende Haltung der Finanzverwaltung bei der Vergabe von Steuernummern sollte nun endlich der Vergangenheit angehören. Sofern Existenzgründern dennoch weiterhin die Vergabe einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke verweigert wird, sollte unter Berufung auf das Urteil des BFH hiergegen vorgegangen werden. Ergeben sich durch die Haltung des Finanzamtes Vermögensschäden, z. B. durch entgangene Aufträge u. ä., so sollten mögliche Haftungsansprüche geprüft werden.


20. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Verfahrensgebühr bei Rechtsanwälten

Einführung
Mit der Änderung der Rechtsanwaltsgebühren durch Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sollte der Rechtsanwalt auch dann für seine außergerichtliche Tätigkeit eine Vergütung verdienen (Geschäftsgebühr), wenn es anschließend zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, für die ebenfalls eine Gebühr anfällt (Verfahrensgebühr). In solchen Fällen sollte nach einer Vorbemerkung im Vergütungsverzeichnis die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden. Abweichend von der bisherigen Praxis, dass die Verfahrensgebühr in voller Höhe gerichtlich festgesetzt wird, also die Geschäftsgebühr gekürzt wird, war der BGH der Auffassung, dass bei einer verdienten Geschäftsgebühr die Verfahrensgebühr zu halbieren ist und nur noch zur Hälfte festgesetzt werden kann. Die vom BGH vorgenommene Auslegung dieser Anrechnung führte zu erheblichen Nachteilen auf Seiten des Beklagten. Denn der Beklagte bekam trotz eines gewonnenen Rechtsstreits nur die halbierte Verfahrensgebühr vom Gegner erstattet. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit regelmäßig in voller Höhe selbst tragen musste. Der Kläger konnte dagegen ohne Kostenrisiko die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit seines Rechtsanwalts mit der Klage geltend machen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für die Anrechnung eine gesonderte Vorschrift in das Vergütungsgesetz aufgenommen (§ 15a RVG). Streitig ist jetzt, ob diese Anrechnungsvorschrift nunmehr auch für "Altfälle" gilt.

Entscheidung
Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner wegen eines Wettbewerbsverstoßes erfolglos ab. Im einstweiligen Verfügungsverfahren wurden dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Antragsteller beantragte die Festsetzung der Verfahrensgebühr, die das Gericht um die Hälfte kürzte. Das OLG Hamm sieht die Kürzung als berechtigt an. Hieran ändere auch die inzwischen in Kraft getretene Vorschrift zur Anrechnung nichts. Da das Verfügungsverfahren vor Inkrafttreten dieser Vorschrift beendet wurde, sei die Anrechnung gemäß früherem Recht zutreffend erfolgt. Durch die neu eingeführte Anrechnungsvorschrift sei eine zuvor andere Rechtslage geändert worden.

Abweichende Entscheidungen
Andere Obergerichte und auch der II. Zivilsenat des BGH haben in der Einführung der Anrechnungsvorschrift lediglich eine Klarstellung der bereits zuvor bestehenden Rechtslage gesehen mit der Folge, dass die Verfahrensgebühr nicht zu kürzen ist.


21. Satzung gemeinnütziger Vereine: Ausschluss gewerblicher Interessen

Kernproblem
Eingetragene Vereine genießen steuerliche Vergünstigungen, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i. S. d. Abgabenordnung dienen. Erforderlich ist u. a., dass die Allgemeinheit gefördert wird. Partikularinteressen, z. B. der Mitglieder, dürfen nicht in erster Linie verfolgt werden.

Sachverhalt
Zu seinen Mitgliedern zählte ein Verein Verbände, eine Innung, Freiberufler sowie Unternehmer verschiedenster Branchen. Sein Satzungszweck ist es, "unlauteren Wettbewerb und Wirtschaftskriminalität im Interesse der Allgemeinheit, der gewerblichen Unternehmen und der freiberuflich Tätigen sowie der Mitglieder zu bekämpfen." Sowohl das Finanzamt als auch das FG lehnten die Anerkennung als gemeinnützige Organisation ab.

Entscheidung
Der BFH hat die Klage ebenfalls abgewiesen. Die Satzung hindere den Verein nicht, in erster Linie gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zu verfolgen. Die Mitglieder sind in der Satzung gleichrangig neben der Allgemeinheit, den Gewerbetreibenden und den Freiberuflern genannt. Es wird aber nicht deutlich, dass es dem Verein verwehrt ist, vorrangig im gewerblichen Interessen der Mitglieder tätig zu werden. Insoweit ist die sog. formelle Satzungsmäßigkeit nicht gegeben.

Konsequenz
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit unterliegt strengen formalen Anforderungen. Das obige Urteil zeigt erneut, dass jede - gemeinnützigkeitsrechtlich relevante - Satzungsänderung vorab mit dem Finanzamt abgestimmt werden sollte. Seit 1.1.2009 ist zudem darauf zu achten, dass jegliche Satzungsänderung die Anpassung an die Vorgaben der gesetzlich normierten Mustersatzung erfordert.


22. Vorstellungsgespräch: Fragen zu Krankheiten

Kernfrage/Rechtslage
In Vorstellungsgesprächen sind Fragen nach Krankheiten höchst problematisch. In der Regel sind sie nur dann zulässig, wenn es sich um besonders schwere Krankheiten handelt oder eine Krankheit einer Beschäftigung entgegen stünde. Fragen nach einer Behinderung sind unzulässig, weil sie diskriminierend i. S. d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob Fragen nach Krankheiten deshalb diskriminierend und unzulässig sein könnten, weil sie Rückschlüsse auf eine Behinderung zulassen.

Entscheidung
Der Kläger war in einem Vorstellungsgespräch für eine Biologen- oder Tierarztstelle zur Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien vom Arbeitgeber gefragt worden, ob er psychiatrisch oder psychotherapeutisch behandelt werde. Außerdem forderte der Arbeitgeber, dass der Bewerber unterschrieb, dass dies nicht der Fall sei und deutete an, er vermute, dass der Bewerber Anzeichen einer chronisch verlaufenden Erkrankung zeige. Schlussendlich teilte der Arbeitgeber dem Kläger mit, dass er ihn nicht einstellen werde, woraufhin dieser auf eine Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz klagte, weil er wegen einer ihm unterstellten Behinderung abgelehnt wurde. Der Arbeitgeber verteidigte sich insbesondere mit zu hohen Gehaltsforderungen des Klägers. Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der Arbeitgeber nicht nach einer Behinderung, sondern nur nach Krankheiten gefragt habe. Diese Entscheidung hob das Bundesarbeitsgericht auf. Dem Landesarbeitsgericht könne nicht darin gefolgt werden, dass eine Diskriminierung schon deshalb ausscheide, weil der Arbeitgeber nur nach Krankheiten und nicht nach einer Behinderung gefragt habe. Ausreichend sei, dass die Frage geeignet sei, auf eine Behinderung abzuzielen, so dass eine Diskriminierung wegen vermuteter Behinderung in Betracht komme. Allerdings seien weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich.

Konsequenz
Fragt der Arbeitgeber einen Bewerber im Vorstellungsgespräch nach Krankheiten, die häufig zu einer Behinderung führen, kann bei Ablehnung des Bewerbers eine Diskriminierung wegen vermuteter Behinderung vorliegen. Für eine unzulässige Diskriminierung reicht es aus, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals nur annimmt.


23. Zuschüsse: "Versteckter" Lohn ist sozialversicherungspflichtig

Kernfrage/Rechtslage
Um Lohnkosten zu sparen, werden feste Gehaltsbestandteile bzw. Teile des Festgehalts gelegentlich so interpretiert, dass sie als steuerfreie Zuschüsse ausgezahlt werden können. Soweit dies zulässig ist, stellt sich die Frage, inwieweit mit der Steuerfreiheit die Sozialversicherungsfreiheit einhergeht. Über die Frage, ob die Steuerfreiheit einer Zuschusszahlung deren Sozialversicherungsfreiheit zur Folge hat, hatte das Hessische Landessozialgericht zu entscheiden.

Entscheidung
Ein Steuerberater hatte eine Vollzeitkraft zunächst mit 1.100 EUR brutto eingestellt. Dann jedoch zahlte er 2 Jahre lang einen Bruttolohn von nur 500 EUR, gewährte aber einen steuerfreien Zuschuss von 700 EUR für doppelte Haushaltsführung (maximal zulässig für 2 Jahre). Nach dieser Zeit erhielt die Mitarbeiterin 1.600 EUR brutto. Da die Summe von 500 EUR brutto plus 700 EUR Zuschuss in etwa der Größenordnung des vorher und nachher gezahlten Gehalts entsprach, entschied das Gericht, dass dieser Gehaltsbestandteil anstelle von Gehalt geflossen sei, um Lohnkosten zu sparen. Zwar seien Zuschüsse zur doppelten Haushaltsführung 2 Jahre steuerfrei, aber sozialversicherungspflichtig.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, wie einzelfallabhängig sozialversicherungsrechtliche Beurteilungen vorzunehmen sind. Insbesondere lässt die steuerrechtliche Beurteilung keine sicheren Rückschlüsse auf die sozialversicherungsrechtliche zu.


24. AfA-Bemessungsgrundlage nach Einlage zum Teilwert

Kernproblem
Wird ein zunächst privat genutztes Wirtschaftsgut (z. B. ein Gebäude) in ein steuerliches Betriebsvermögen eingelegt, so erfolgt diese Einlage zum Teilwert. Der Teilwert ist zugleich die Bemessungsgrundlage für die anschließenden Abschreibungen (Absetzungen für Abnutzung/AfA) im Betriebsvermögen. Eine Sonderregelung (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG) gilt jedoch für solche Fälle, in denen das eingelegte Wirtschaftsgut bereits vorher zum Zwecke der Einkünfteerzielung genutzt und hierauf AfA vorgenommen wurde.

Sachverhalt
Ein Einzelunternehmer betrieb sein Unternehmen in einem Gebäude, das seiner Ehefrau gehörte und das er von dieser anmietete. Die Ehefrau erzielte hieraus zunächst Vermietungseinkünfte. Nach dem Tod ihres Mannes führte sie dessen Einzelunternehmen fort. Das Gebäude wurde dadurch (notwendiges) Betriebsvermögen. Zum Einlagezeitpunkt betrug der Teilwert 820.000 DM. Auf die ursprünglichen Herstellungskosten (417.000 DM) hatte die Vermieterin in den Jahren vor der Einbringung AfA i. H. v. 232.000 DM geltend gemacht. Die Unternehmerin setzte als AfA-Bemessungsgrundlage 588.000 DM (820.000 DM - 232.000 DM) an, das Finanzamt lediglich 185.000 DM (417.000 DM - 232.000 DM).

Entscheidung
Das Finanzgericht und anschließend auch der Bundesfinanzhof gaben der Klägerin Recht. Die BFH-Richter stellten zunächst fest, dass die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG ausschließlich eine besondere AfA-Bemessungsgrundlage regelt und keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Bewertung der Einlage. Dies hat zur Folge, dass das Gebäude mit dem Teilwert von 820.000 DM in das Betriebsvermögen eingelegt wird. Die anschließenden Abschreibungen bemessen sich allerdings nach der reduzierten Grundlage von 588.000 DM. Eine ebenfalls denkbare, abweichende Interpretation der Vorschrift - Einlagewert als AfA-Bemessungsgrundlage, aber Begrenzung des AfA-Volumens auf 588.000 DM - lehnten die BFH-Richter hingegen ab. Eine deutliche Absage richteten sie allerdings auch an die im Streitfall vertretene Berechnung des Finanzamtes. Die Regelung habe ausschließlich den Zweck, Doppelabschreibungen zu verhindern. Ein - vom Finanzamt im Ergebnis gefordertes - Abschreibungsverbot für im Privatvermögen gebildete stille Reserven sei dagegen nicht bezweckt.

Konsequenz
Im Privatvermögen gebildete stille Reserven können bei einer Einlage in das Betriebsvermögen aufgestockt und für Abschreibungen genutzt werden - jedenfalls, soweit nicht vor der Einlage bereits Abschreibungen vorgenommen worden sind. Dies hat der BFH nunmehr ausdrücklich bestätigt. Die Reduzierung der AfA-Bemessungsgrundlage bewirkt, dass der Buchwert durch die AfA nicht bis auf Null reduziert wird, sondern ein "Sockelbetrag" in Höhe der im Privatvermögen vorgenommenen Abschreibungen verbleibt. Dieser Sockelbetrag wirkt sich erst im Falle einer Veräußerung oder Entnahme steuermindernd aus.


25. Steuerwirksames "Verschieben" des Zuflusses einer Abfindung zulässig

Kernproblem
Abfindungen an Arbeitnehmer, z. B. aufgrund betriebsbedingter Kündigungen, stellen grundsätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Als "sonstige Bezüge" sind sie in dem Kalenderjahr steuerlich zu erfassen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließen.

Sachverhalt
Eine Arbeitnehmerin (Klägerin) vereinbarte anlässlich ihrer betriebsbedingten Kündigung im Jahr 2000 mit ihrem Arbeitgeber einen Abfindungsanspruch, der gemäß Sozialplan zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig war. Kurz vor dem Fälligkeitstermin vereinbarten die Klägerin und ihr Arbeitgeber die Auszahlung der Abfindung in 2 Raten. Die erste Rate wurde im Jahr 2000 ausgezahlt, die zweite Rate im Jahr 2001. Hierdurch sollte eine für die Arbeitnehmerin insgesamt geringere Einkommensteuerbelastung erreicht werden. Die Klägerin erfasste den Restabfindungsbetrag in ihrer Einkommensteuererklärung 2001. Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, dass die gesamte Abfindung im Jahr 2000 zu erfassen sei, da die Klägerin aufgrund der Regelungen des Sozialplans bereits mit ihrem Ausscheiden wirtschaftlich über die Abfindung verfügen konnte.

Entscheidung des BFH
Der BFH folgte der Auffassung der Klägerin und erfasste den steuerpflichtigen Zufluss der Teilabfindung im Jahr 2001. Zwar sei das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass der Zufluss der Abfindungszahlungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Abfindungsbetrag voraussetze. Diese ergäbe sich aber nicht aus den Regelungen des Sozialplans, der die Fälligkeit auf den Zeitpunkt des Ausscheidens im Jahr 2000 festlegte. Für die Frage der Vorrangigkeit von Betriebsvereinbarungen und einzelvertraglichen Regelungen gelte nach herrschender Meinung das Günstigerprinzip. Die Günstigkeit der einzelvertraglich vereinbarten Fälligkeit ergibt sich im Streitfall aus der von der Klägerin begehrten günstigen steuerlichen Auswirkung. Zudem stellte der BFH noch einmal klar, dass es den beteiligten Parteien freisteht, wie sie den Erfüllungszeitpunkt einer Geldforderung zivilrechtlich und steuerrechtlich gestalten. Dass die Vertragsparteien den Eintritt der Fälligkeit vor dem ursprünglichen Fälligkeitstermin gemäß Sozialplan im Interesse einer günstigeren steuerlichen Gestaltung zeitlich nach hinten verschieben, ist Ausfluss der rechtlichen Gestaltungsfreiheit und stellt regelmäßig keinen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch dar.

Konsequenz
Die Argumentation des BFH dürfte auch in den Fällen zu Rate gezogen werden, in denen ähnliche (steuerlich motivierte) Vertragsgestaltungen bislang seitens der Finanzverwaltung mit Hinweis auf steuerlichen Gestaltungsmissbrauch grundsätzlich abgelehnt wurden.


26. Schadensersatzanspruch gegen Vereinsvorsitzenden trotz Entlastung?

Kernaussage
Bei Schadensersatzklagen wegen pflichtwidriger Amtsführung gegen das Organmitglied eines Vereins gelten dieselben Grundsätze, die der BGH für die Haftung von GmbH-Geschäftsführern aufgestellt hat. Der Verein hat Schadenseintritt und -höhe, sowie die schädigende Handlung und die Kausalität zwischen Handlung und Schaden zu beweisen. Das Organmitglied trägt die Beweislast für fehlendes Verschulden und Pflichtwidrigkeit. Eine Haftung entfällt möglicherweise, wenn dem Organmitglied zuvor Entlastung erteilt wurde.

Sachverhalt
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der Beklagte war bis zu seinem Austritt im Oktober 2005 dessen Mitglied, Schatzmeister und 1. Vorsitzender. Dem Beklagten wurde bis einschließlich des 1. Quartals 2005 Entlastung erteilt, die Kassenführung wurde als gewissenhaft und übersichtlich bezeichnet. Bei einer Überprüfung der Kasse/Buchführung anlässlich einer Betriebsprüfung stellten sich allerdings Ungereimtheiten heraus. Hinsichtlich eines Gesamtbetrages von rd. 14.000 EUR fehlten jegliche Belege. Der Kläger fürchtete die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und verlangte Schadensersatz. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verwies die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurück.

Entscheidung
Generell ist es problematisch, ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern Gegenbeweise aufzuerlegen, weil sie zu Geschäftsunterlagen regelmäßig keinen Zugang mehr haben. Vorliegend könnte die Haftung des Beklagten nach Ansicht des OLG auch deshalb entfallen sein, weil ihm bis einschließlich des 1. Quartals 2005 Entlastung erteilt wurde. Eine Entlastung führt allerdings nicht ohne Weiteres zu einer Freistellung. Die Verzichtswirkung der Entlastung beschränkt sich auf Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten. Ansprüche, die aus den Rechenschaftsberichten des Vorstandes und den Berichten der Rechnungsprüfung nicht oder nur unvollständig erkennbar sind, werden von der Verzichtswirkung nicht erfasst.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de